Avaritia - Gier

  20.01. - 03.03.2012

Hans Peter Lercher

Die Welt erstickt in Krisen und Katastrophen: Wirtschaftskrise, Finanzkrise, Energiekrise, Überbevölkerung, Nahrungsmittelkrise, Umweltkatastrophen, Klimakatastrophee, Verbreitung von Atomwaffen ... Ein wesentlicher Grund für dieses Desaster liegt darin, das wir Europäer und US-Amerikaner uns mit unserer kapitalistisch-neoliberalen Lebensweise, die auf exzessivem Konsum beruht, kaum noch an Grenzen halten, wie sie etwa im Mittelalter durch die "Sieben Todsünden" gesetzt waren - wenn auch nur dem Fußvolk! Man muss kein religiöser Fanatiker sein, um die Aktualität der Todsünden zu erkennen. In lateinischer Sprache klingen die Todsünden hammermäßig:

- avaritia: Gier, Habgier, Geiz

- superbia: Hochmut, Eitelkeit, Stolz, Übermut

- luxuria: Wollust, Ausschweifung, Genusssucht

- ira: Zorn, Rachsucht, Vergeltung, Wut

- gual: Völlerei, Gefräßigkeit, Maßlosigkeit, Selbstsucht

- invidia: Neid, Eifersucht, Missgunst

- acedia: Faulheit, Feigheit, Ignoranz, Trägheit des Herzens

Die unersättlichen Finanzspekulanten sind offensichtlich gleich einer ganzen Reihe von Todsünden verfallen, vor allem der avaritia (laut Timotheus 6,10 ist die Geldliebe die "Wurzel alles Bösen"), aber auch der gula und der luxuria; die invidia ist die zentrale Antriebskraft der meisten kapitalistischen Menchen und vor der superbia ist auch kaum jemand gefeit. Und die Fanatiker aller Coleur werden von der ira befeuert, wenn sie ihre Überzeugungen durchsetzen wollen - und sei es mit Feuer und Schwert.
Im Internet zirkulieren Selbsttests, mit denen jede und jeder prüfen kann, zu welchen der sieben Todsünden sie/er am stärksten neigt ... Mahatma Gandhi hat die sieben Todsünden der modernen Welt so definiert:

- Reichtum ohne Arbeit

- Genuss ohne Gewissen

- Wissen ohne Charakter

- Geschäft ohne Moral

- Wissenschaft ohne Menschlichkeit

- Religionn ohne Opferbereitschaft

- Politik ohne Prinzipien


Vor allem die avaritia (Gier) hat mich zu diesem Bilderzyklus inspiriert. Die sieben Todsünden ergänze ich um die aktuellen Sünden fanaticism und megalomania, wobei bei fanaticism für die Katastrophe des 11. September 2011 steht und megalomania für den Größenwahn - symbolisiert durch ein Luftschiff. nightmare wiederum steht für das Unergründliche und Angsteinflößende unseres Un- und Unterbewussten; im Mittelalter wurde die Todsünden Dämonen zugeschrieben. Die Todsünden zogen ewige Verdammnis nach sich, die auch durch die üblichen Bußpraktiken nicht verhindert werden konnte.
Der Bilderreigen enthält zudem Hinweise auf das heutige Bestreben, buchstäblich alles zu Geld zu machen (for sale), und auf die Machtlosigkeit der Politik, die angesichts der Macht der Wirtschafts-Lobbys nur noch reagiert, aber nicht mehr agiert (Obama: what you can do) und dabei eine ziemlich schlechte Figur macht. Da kann selbst Superman nicht mehr helfen ...
Diese Krisen können uns allesamt in den Orkus reißen (booom! booom!), aber sie können uns auch zusammenbringen wie nie zuvor, damit wir jene Welt schaffen, vor der wir alle träumen (vgl. etwas die Blütenträume in Goethes Prometheus). Große Utopien sind derzeit allerdings (noch) nicht in Sicht, zumal alle bisherigen Versuche ihrer Realisierung mehr oder weniger kläglich gescheitert sind (Utopia only exists until it's created - Bob Marley). Oder um es knallhart mit Adorno zu sagen: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Kurz: Wir leben in spannenden Zeiten - und dieser Bilderzyklus ist mein ironisch-zynisch-kritischer Kommentar dazu!

Biographie:

geboren 1966 in Gais, Studium der Germanistik, Philosophie, Politikwissenschaft und Kunstgeschichte in Innsbruck und Magdeburg, Magister 1992, Forschungsdoktorat 1994, seitdem Lehrer für Deutsch und Latein an mehreren Südtiroler Oberschulen, seit 1997 am Realgymnasium Bruneck; seit 1998 zudem freiberuflicher Publizist; seit 1989 künstlerisch tätig (vor allem Malerei), Besuch von Ferienkursen, 2004 Spezialisierung auf Siebdruck; mehrere Ausstellungen: April 2007 im Jugend- und Kulturzentrum UFO in Bruneck: „Alle meine Helden“, April 2008 im Buchladen am Rienztor in Bruneck, Dezember 2011 im Sozialzentrum in Gais. 

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