Luis Seiwalds jüngste künstlerische Aufgabe liegt im Ausloten der Faszination Selbstporträt. Raffael, Rembrandt, van Gogh, Goya, Munch, Bacon – kein großer Künstler versäumte es, sich selbst im Bild festzuhalten. Die meisten taten es immer wieder, manche geradezu obsessiv.
Selbstporträts gehören zu den wichtigsten Werken berühmter Künstler.
Schon früh haben die Kreativen damit begonnen, in den Spiegel zu schauen. Aber erst in der Renaissance avancieren Selbstportraits zum festen Bestandteil künstlerischer Arbeit. Edvard Munch steckte mit seinen Porträts die Zeit ab und sah sich selbst beim Altern zu, Vincent van Gogh blickt in sich hinein wie in ein Zerrbild der gequälten Existenz, der italienische Renaissance-Künstler Raffael setze die Maßstäbe, Albrecht Dürer begann bereits als 13jähriger, sich selbst darzustellen, in einem mit Silberstift gezeichnetem Selbstbildnis. Dürers letztes autonomes Selbstporträt aus dem Jahr 1500, das er als 28jähriger schuf, ist nicht nur ein Gemälde von einzigartigem künstlerischen Rang, sondern wegen seiner Aufladung mit christlichen und humanistischen Sinnebenen auch ein Hauptwerk der Kunst: Er idealisierte sich in diesem Bild als Christus mit wallenden Locken. Rembrandt schließlich porträtierte sich ununterbrochen, am Ende, 1668, sichtlich gealtert, nach einer langen Reihe von etwa 70 Selbstbildnissen, als heiteren trotzigen Alten: tiefe Falten an Stirn und Wangen, schwere Tränensäcke unter den Augen, mit hoch gezogener Augenbraue blickt er schälkisch in die Welt. Mit unerbittlicher Direktheit verfolgte Rembrandt die stetige Veränderung seiner Gesichtszüge.
Worin liegt die Faszination für den Betrachter des Selbstporträts? Was suchen wir in den Gesichtszügen der Künstler?
„Selbstporträts von Künstlern zu betrachten, ist nicht, wie das Anschauen anderer Bilder von ihnen“, sagt Luis Seiwald. „Man öffnet ein Fenster, das Augenfenster und schaut tiefer, weiter in die Seele – ein Schlüssellochschauen.“
Luis Seiwald nimmt die Selbstbildnisse großer Künstler und Künstlerinnen als Vorlage und ergründet, wie viel nötig ist, um ein Erinnern in uns auszulösen. Welche Merkmale transportieren die Botschaft? Welchen Grad der Reduzierung verträgt diese Botschaft?
Denn interessanterweise stecken diese Bilder in jedem von uns als Typologien des Menschlichen, als Etappen der Entwicklung des Geistes.
So entstand eine umfangreiche Serie kleinformatiger Acrylbilder mit einer thematischen Spannweite von 6 Jahrhunderten.